Geht es Ihnen auch so, dass Sie von manchen Themen überhaupt nicht mehr hören können?
Unsere Welt scheint gerade mal wieder voll von solchen Thematiken zu sein: da ist natürlich die Coronapandemie mit all ihren Facetten, die sich immer wieder ändert und unseren Alltag beherrscht; da ist der Klimawandel, dessen Auswirkungen wir hier in Deutschland vor ein paar Tagen leider auf furchtbare Art und Weise erleiden mussten; und in der Katholischen Kirche blitzt ständig die Frage nach notwendigen und richtigen Reformen auf.
Um nicht missverstanden zu werden: natürlich müssen wir über diese Fragen diskutieren. Und doch tut es gut, dass wir jetzt gerade ein kleines Sommerloch haben! Also eine Zeit, in der die üblichen Themen nicht im Vordergrund stehen, sondern in der endlich mal wieder die Möglichkeit besteht, sich zurückziehen, den Urlaub im eigenen Garten oder woanders zu genießen und einfach mal die Seele baumeln zu lassen.
Als Menschen brauchen wir das, jeder und jede von uns braucht das, sich immer mal wieder zurücklehnen und sich dabei über sein eigenes Leben selbst vergewissern zu können, Standfestigkeit zu finden und das, was einem Kraft und Freude verleiht, vielleicht auch wieder in den Vordergrund rücken zu können. Und wer an Gott glaubt, der kann so eine Zeit wunderbar dafür nutzen, die persönliche Beziehung zu Gott wieder zu vertiefen und zu erneuern. Auch Jesus hat das im Übrigen getan, wenn er sich von Zeit zu Zeit zum Gebet an einen einsamen Ort zurückgezogen hat.
Im Gefängnis gibt es kein Sommerloch, im Gegenteil: die Urlaubszeit löst bei den Bediensteten Überstunden und Überbelastung aus, und die Inhaftierten aus dem offenen Vollzug können sowieso nur begrenzt und nach einer langen Bewährungszeit in den Urlaub fahren. Der übliche Knastalltag herrscht so immer weiter, das heißt, die Trennung von Familie und Kindern auszuhalten, das Verhalten der Mitgefangenen auszuhalten, seine eigene Schuld auszuhalten, das Pendeln zwischen Freigang und Haft auszuhalten. So manch einer geht unter dieser Belastung unter.
Als Gefängnisseelsorger versuche ich, in den Gesprächen und Gottesdiensten zusammen mit den Inhaftierten so einen Rückzugsort zu finden und aufzubauen. Das Wunderbare daran ist, dass ich mit meinem Vertrauen auf Gott etwas anbieten kann, das alles Menschliche übersteigt. Und genau das wünsche ich Ihnen für Ihr Sommerloch: dass Sie in Ihrem Leben von Gott berührt werden.
Mirko Wiedeking, Kath. Gefängnisseelsorger in der JVA Bielefeld-Senne
Wort zum Sonntag, Westfalen Blatt, 31. Juli 2021
Bild: congerdesign / Pixabay.com - Lizenz
In: Pfarrbriefservice.de
Mirko Wiedeking
Kath. Gefängnisseelsorger in der JVA Bielefeld-Senne